Vom Sinn oder Unsinn der Maßstäblichkeit und Vorbildtreue
von Thomas Meinhold
Es muss nicht immer die Kreisanlage von 2 m x 3 m sein, auf der ICE-Züge mit 2 Waggons mit umgerechnet 250 km/h über Gleisbögen donnern, auf denen noch nicht einmal Straßenbahnen verkehren dürften, weil für mehr die Bahnsteiglänge nicht ausreicht. Vielmehr bin ich der Überzeugung, dass dieses “stupide” im Kreis herum fahren auf Dauer keinen ernsthaften Modellbauer / Modellbahner befriedigen wird und die Anlage schnell auf dem Boden oder im Keller verstaubt, weil man vergessen hat die kreativen Möglichkeiten zu entdecken und zu nutzen.
Modellbahn nur als Spielzeug oder ein Abbild der großen Bahn?
Wer sich ernsthaft mit dem Vorbild Bahn beschäftigt, wird früher oder später zu dem Schluss kommen, dass weniger oft mehr ist. Denn gerade mit der Beschränkung auf ein konkretes Vorbild oder zumindest an ein Vorbild angelehntes Szenario erreicht man wirklich glaubwürdige Anlagen und hat ein auf Dauer befriedigendes Hobby. Es gibt, meiner Meinung nach, nur wenige Freizeitbeschäftigungen, die so vielseitig und abwechslungsreich sind, wie der Modellbahnbau.
Angefangen von der Recherche über Planung und Bau der Anlage mit seinen vielen Spezialgebieten, über den vorbildgerechten Betrieb (nach Fahrplan) bis hin zur zeit- und verkehrsgeschichtlichen Bedeutung. Denn jede gute Anlage ist ein Teil lebendige Geschichte. Welches Kind kennt heute noch Dampfloks oder weiß, im Zeitalter des Individualverkehrs, um die Zusammenhänge und Bedeutung des Transportmittels Eisenbahn.
Das Hobby Modellbahn ist demnach bestens dazu geeignet sowohl komplexe Zusammenhänge, wie z. B. Elektrik / Elektronik verständlich und “begreifbar” zu machen, als auch handwerkliche Fähigkeiten zu entdecken und zu fördern. Damit meine ich nicht den Joystick der Playstation. Nicht wenige begeisterte Modellbahner haben ihr Hobby zum Beruf gemacht oder dadurch Fähigkeiten entwickelt, die Ihnen im Beruf oder der Berufswahl entscheidend weiter helfen oder das Hobby willkommener Ausgleich zum hektischen Alltag darstellt.
Rückblick
Meinen ersten Kontakt mit dem Thema Modellbahn kann ich nicht mehr genau datieren. Es war als Kind auf einer der vielen vorweihnachtlichen Ausstellungen in der näheren Umgebung. Voller Faszination sah ich den vorbeifahrenden Zügen bei ihrem Weg über Brücken und durch Wälder zu, um dann in irgendeinem Tunnel zu verschwinden (die Züge nicht ich).
Die Faszination ist bis heute geblieben, nur hat sich die Sichtweise von damals ca. 1,50 m auf heute 1,92 m und der Anspruch teilweise massiv geändert. Schon früh waren für mich langsame Güterzüge interessanter als ein Schnellzug, der mit Vmax vorbeirauscht.
Das war und ist für mich bis heute das größte Manko von Modellbahnausstellungen. Es herrscht zwar jede Menge Betrieb auf den Anlagen aber für mich fehlt das Leben bzw. das Flair. So ist man schnell von der Vielzahl der fahrenden Züge überfordert oder auch gelangweilt. Wird der Betrieb doch im Wesentlichen auf das Ein- und Ausfahren von Zügen in und aus Bahnhöfen dargestellt. Die eigentlich interessanten Betriebsabläufe, wie z. B. der Lokwechsel, das Bedienen von Gleisanschlüssen, auflösen und bilden von Güterzügen und und und werden entweder gar nicht oder nur rudimentär dargestellt.
Ausweg Modulanlagen?
Gerade das fand ich beim Besuch eines Modultreffens im Jahr 2007 in Roßwein. Auf solchen Veranstaltungen trifft sich eine Schar mehr oder weniger “Modellbahnverrückter” zum “Eisenbahn spielen”. Auf den meist beachtlich großen Modulanlagen (Anlage aus vielen einzelnen Segmenten mit genormten Übergängen) wird der Betrieb nach einem vorher festgelegten Fahrplan, mit Wagenkarten / Frachtkarten und einem Fahrdienstleiter praktiziert. D. h. für jeden eingesetzten Wagen gibt es eine Karte mit dessen Daten (Bezeichnung, Abmessungen, Gewicht) und entsprechende Frachtkarten, die den Frachtzettel des Vorbilds entsprechen und die zu transportierende Ladung darstellen. So werden dann von den einzelnen Bahnhöfen (mit Fahrdienstleiter besetzt und per Telefon untereinander verbunden) bzw. Ladestellen entsprechende Wagen angefordert oder bereitgestellt, die dann zugestellt bzw. abgeholt werden müssen. Das Ganze natürlich unter Beachtung des laufenden Fahrplanes und nach Modellzeit (meist im Verhältnis 1:3 bis 1:5 verkürzte Realzeit). Die dargestellten Bahnhöfe und Betriebsstellen entsprechen meist realen Vorbildern und die eingesetzten Fahrzeuge stammen aus einer Epoche und Region. Es begegnen sich somit kein bayerischer Glaskasten aus der Epoche II und ein moderner ICE, es sei denn als “Museumszug”.
Wenn dies auch für viele “normale” Modellbahner übertrieben erscheinen mag, so hat es doch auch seinen ganz besonderen Reiz. Zumal solche Treffen nur 2-3 mal pro Jahr veranstaltet werden und in der restlichen Zeit jeder für sich oder in regionalen Gruppen weiter baut und Betrieb macht. So kann sich der Einzelne auf seinem Spezialgebiet austoben.
Diese Form des Eisenbahnmodellbaus finde fand ich optimal. Selbst wenn man nicht an solchen Treffen teilnehmen möchte, kann man doch den Modulgedanken für sich ganz persönlich umsetzen. Eine Anlage in Segmenten / Modulen ist erstens leichter zu transportieren, man kann sie, bei Bedarf, an räumliche Gegebenheiten anpassen, ein Segment ist schneller fertig als eine komplette Anlage und gerade das sorgt für die nötigen Erfolgserlebnisse, die man braucht um nicht auf halber Strecke die Lust zu verlieren, weil man den Aufwand für den Bau einer großen Anlage leicht unterschätzt. Auch wenn mal ein Teil misslingt, kann man es leicht später umbauen oder ersetzen. So wächst man und seine Fähigkeiten an seinen Aufgaben und gerade das sollte doch das Ziel einer befriedigenden Beschäftigung mit seinem Hobby sein, denn Stillstand ist Rückschritt.
Fazit
Meine Maxime ist deshalb – so maßstäblich wie möglich um ein ansprechendes und stimmiges Gesamtbild zu erreichen ohne “Nietenzählerei” zu betreiben auch wenn man dabei gewisse Kompromisse eingehen muss.
Kommentare
Kommentar von Norbert Galle |
Hallo Thomas,
ich denke, über jedes Hobby wird sicher der mündige Ausführende früher oder später ins Philosophieren kommen. Schon allein wegen der aufzuwendenden Zeit und Kosten. Bei mir haben den Ausschlag gegeben, dass meine N-Modelle nach Abbau meiner ersten Anlage viel zu lange in der Vitrine standen und mit meinem zunehmenden Alter auch die Erkenntnis, dass trotz dreier Söhne keine Zukunftsaussichten für die Modellbahn bestehen. Also heißt es, den Augenblick zu nutzen.
Erste generelle Überlegungen sind eher demotivierend: Kosten des Gleismaterials, eventuelle Kosten der Digitalisierung, und z. B. die Realisierung von friedlichem Miteinander von Schattenbahnhof für lange Züge und Modulbauweise. Dazu kommt noch ein Blick in die Realität der richtigen Bahn mit ihren kaum in kleinerem Maßstab abzubildenden Vorbildern in Sachen Modellvielfalt, Gleisen, Strecken. Ich kann nur zustimmen, dass der Gesamteindruck einer Anlage nur über das Ensemble entsteht, wobei die Gründe der notwendigerweise gemachten Kompromisse mit einfließen müssen. Nur dann hat der Anlagenerbauer eine faire Chance.
Für mich habe ich entschieden, unabdingbar sind Schattenbahnhof und Gleiswendel, um große weite Strecken und sehr viel Landschaft abbilden zu können. Und es entspricht dem Vorbild, wenn auch nur alle naselang ein Zug vorbeifährt – wie im richtigen Leben.
Ich sollte erwähnen, ich habe modellbahnmässig pausiert, im virtuell im Internet mit einem Airbus-Cockpit im Keller virtuell zu fliegen – realistischer‚ spielen geht nicht‘, wird aber zu Stress pur… deshalb die Rückkehr zum ruhigeren Metier.
Ich glaube, die wirkliche Befriedigung nimmt der Modellbahner aus dem Erschaffen. Die Creation einer sich bewegenden Miniwelt, in der der Idealzustand eine nie ganz fertige Anlage ist, die noch die Möglichkeit der Entfaltung bietet. Das ergibt, glaube ich, übers Jahr die gewünschte Befriedigung.
Hat Spaß gemacht, sich durch Modellbahn-Philosophie zu lesen….
Gruß Norbert
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